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Sazet e Permetit (Albanien) Saze Polyphonie
Iso-Polyphonie ist die Bezeichnung für einen Gesangsstil in Südwest-Albanien, der aber auch in Nordwest-Griechenland beheimatet ist. Er ist seit 2008 als Immaterielles Kulturerbe von der UNESCO auf der internationalen repräsentativen Liste anerkannt. In Albanien wird dieser Gesangsstil vor allem in den südlichen Regionen Toskeria und Laberia gepflegt. Der Begriff „iso“ bezieht sich auf den Ison, einen Bordun-Ton im religiösen byzantinischen Gesang, der die vorherrschende Einstimmigkeit zu einer einfachen Mehrstimmigkeit erweitert. Beim albanischen polyphonen Gesang gibt es meist zwei oder drei solistische Stimmen, die von einem tiefen Bordun begleitet werden. Die Stimmen sind weitgehend unabhängig voneinander, stehen aber in einer engen Wechselbeziehung. Der Bordun wird meist von den Chor-Stimmen der Gruppe gesungen. Dabei wird keine exakte Tonhöhe eingehalten, sondern in einem engen Bereich rund um ein tonales Zentrum gesungen, wodurch der Eindruck entsteht, der Chor singe in einer Tonhöhe. Meist bestehen die Gesangsensembles aus männlichen Sängern, die sich auch auf Instrumenten begleiten oder die Gesangsstimmen instrumental spielen. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der langsamen Öffnung Albaniens, gibt es einen bescheidenen Anstieg von Kulturtourismus und ein wachsendes Interesse der musikwissenschaftlichen Forschung an der einzigartigen Musiktradition, was zur Wiederbelebung der albanischen Polyphonie beigetragen hat. Dennoch leben die meisten Ensembles in sehr bescheidenen Verhältnissen und ohne finanzielle Unterstützung. So ist die systematische Weitergabe der sehr komplexen oralen Gesangstechnik und des Repertoires stark gefährdet. Zudem verstärkt Landflucht junger Menschen die aktuelle Weiterentwicklung der polyphonen Klangkunst. Heute gibt es nur einige wenige professionelle Ensembles. Das Ensemble Sazet e Përmetit gehört seit vielen Jahren zu den besten Ensembles polyphoner Tradition, die die Gesangsstimmen auf Instrumente übersetzen. Die Musiker leben alle im kleinen Ort Përmet in Südalbanien. Es gibt erste Zeugnisse aus Përmet bereits aus dem 15. Jahrhundert. Die Stadt gehörte über Jahrhunderte zum osmanischen Reich und wurde von Albanern bewohnt. Sie hatten jedoch keine gemeinsame Sprache, Schrift oder Religion. Sie nutzten die lateinische, arabische und griechische Schrift und gehörten verschiedenen religiösen Richtungen als Sunniten, Bektaschi, Katholiken und Orthodoxe an. So gab es noch 1878 nur Schulen der griechisch-orthodoxen Kirche, katholische Klosterschulen und staatliche Schulen mit Unterricht auf Türkisch. Erst ab den 1870ern Jahren entstand die Rilindja Bewegung, die besonders von toleranten Bektaschi Sufi-Orden getragen wurde und sich für die Bildung einer eigenen albanischen Identität einsetzte, anstelle der osmanischen. Um 1900 konnten über 90 % der Albaner weder lesen noch schreiben, sodaß sich die kulturelle Bewegung der Albaner jedoch über lange Zeit nur auf einige wenige Orte konzentrierte. Beim Zerfall des osmanischen Reiches bemühten sich die Behörden darum die politische Situation in diesen von Albanern bewohnten Gebieten zu kontrollieren, indem ihre Führer verhafteten und albanisch sprachige Bücher und Schriften verboten. Erst nach den Balkankriegen wurde Albanien 1913 als eigenständiger, neutraler Staat anerkannt - mit konstitutioneller Monarchie unter Führung eines deutschen Fürsten und unter Schutz von Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien. Diese Großmächte hatten bis zum Weltkrieg II maßgeblichen Einfluß im Land, wobei während des Weltkrieges II gerade die Region um Përmet ein Zentrum des antifaschistischen Widerstands war. Die Stadt zählt zu den ersten Orten Albaniens, die sich nach dem Krieg von der italienischen und deutschen Besatzung befreien konnte. Heute sind Përmet und die Region ländlich geprägt. Përmet wird auch Stadt der Rosen genannt und ist berühmt für seine Weinkellereien. Sazet e Përmetit haben mehrere CDs in Albanien veröffentlicht, um die große Vokaltradition und das reiche Repertoire ihrer Region zu bewahren und zu dokumentieren. Dazu gehören Lieder zu wichtigen sozialen Riten wie Hochzeiten, Begräbnisse, Erntefeste, religiöse Feierlichkeiten sowie lokale Volkslieder, die iso-polyphon gesungen werden: es gibt Lieder aus Gjirokastra, die auf dem dortigen populären Volksfest gesungen werden. Der Borrohite ist ein Trauerlied, das von Schäfern gesungen wird und der Bejte ein humoristisches Stück aus einfachen Versen, das in ganz Albanien bekannt ist. Der vermutlich älteste bekannte iso-polyphone Gesang ist 'E qara me bote, me grikë', der auf ein altes Totenritual zurückgeht und aus einem Fragment einer Volkstragödie besteht. Seit dem 19. Jahrhundert sind auch einzelne Namen von Komponisten und Interpreten namentlich bekannt. Bei internationalen Tourneen auf dem Balkan und nach Holland hat das Ensemble das Publikum mit virtuosem Zusammenspiel auf Instrumenten und eindrucksvollem polyphonen Gesang begeistert. Alban Zeqiri – Rahmentrommel, 1. Stimme Sadik Zeqiri – Klarinette (marrës) Artur Zeqiri - Geige (*) Fredi Daci – Laute (*) Ylli Muço – Akkordeon, 2. Stimme(ia mbajnë)
(*) Am 09. Juni 2019 ist der Lautenspieler und Sänger Jarek Muço plötzlich und unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben. Ein herzliches Beileid von allen Mitgliedern des Klangkosmos NRW. Sein eindrucksvolles musikalisches Wirken nicht vergessen und in der Musik der Gruppe weiterleben ! Deshalb hat es eine Umbesetzung im Ensemble gegenüber der ersten Ankündigung gegeben. Artur Zeqiri und Fredi Daci werden nun die Konzerte des Ensembles mit ihrer reichen Erfahrung verstärken.
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